Zur Qualität der Arbeitsplätze am Flughafen

Vortrag von Monika Hettwer, ötv

 

Auf dem 3. RMI-Symposium zur
Entwicklung des Rhein-Main-Flughafens:

Flughafen, Arbeitsmarkt und Regionalentwicklung

am 7. März 2001 in der Stadthalle Rüsselsheim

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren,

der Flughafen gilt gemeinhin als die Jobmaschine, wobei über die Qualität der Arbeitsplätze regelmäßig nicht gesprochen wird. Ich finde es deshalb auch typisch, dass in dem Artikel der FR vom 15.2.01 zwar zu lesen war: "wir schaffen jeden Tag vier neue Arbeitsplätze", Herr Michel jedoch nicht dazu gesagt hat, wer "wir" ist und um welche Arbeitsplätze es sich handelt.

Wer an Arbeitsplätze am Flughafen denkt, der hat fast immer ein ganz bestimmtes Bild vor Augen: das Flair der großen weiten Welt und die Vorstellung, dass man auf einem Weltflughafen auch richtig gutes Geld verdient. Und dieses Bild von der schönen heilen Flughafenwelt mit ihren Traumjobs wird werbemäßig ja auch gehegt und gepflegt!

Reale Arbeitswelt auf dem Flughafen-Gelände

Die Wirklichkeit eines sehr großen Teils der Beschäftigen am Flughafen ist dagegen schlicht banal, die Arbeit schwer und schlecht bezahlt, die Arbeitsbedingungen und der Umgang mit den Betroffenen so miserabel wie in jeder Speditions-Klitsche außerhalb des Flughafengeländes!

Es geht hier nicht um die Beschäftigten bei der FAG bzw. Fraport, die unter den Tarifbereich des öffentlichen Dienstes fallen und die wie alle Beschäftigen in gut gehenden Großbetrieben zusätzliche Sozialleistungen erhalten. Es geht auch nicht um die Beschäftigten der Lufthansa, deren Vergütungen und Arbeitsbedingungen in einem Haustarifvertrag mit der ÖTV geregelt sind.

In beiden Unternehmen mussten die Beschäftigten zwar in den letzten Jahren Einbußen hinnehmen, zwischen der Entlohnung und den Arbeitsbedingungen bei Fraport und Lufthansa und denen der Beschäftigten in anderen Bereichen am Flughafen liegen jedoch Welten! Und das dies so ist, damit haben sowohl Fraport wie auch die Lufthansa eine ganze Menge zu tun:

Bereits in den 80iger Jahren hat die FAG begonnen, ein wirres Firmenkonglomerat durch Gründung von Tochterunternehmen zu bilden, die alle irgendwie zusammenhängen, aber vor allem eines gemeinsam haben: die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung richten sich nicht mehr nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes, sondern nach den des Speditions- oder Bewachungsgewerbes.

So hat sich die FAG frühzeitig ihre eigene Billigkonkurrenz geschaffen, was natürlich nicht ohne Folgen blieb: Am 10.9.90 haben BR und Vorstand einen sogenannten "Beschäftigungssicherungsvertrag" geschlossen, in dem sich die FAG verpflichtete, bis 31.12.01 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Im Gegenzug musste die Arbeitnehmerseite die Kürzung übertariflicher Leistungen hinnehmen. Dieser Vertrag ist laut FR nun bis 2004 verlängert worden.

Zeitweiligen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen gibt es demnach selbst in einem Unternehmen, das von sich behauptet, täglich 4 neue Arbeitsplätze zu schaffen, nur gegen Zugeständnisse des BR.

Wo ein Beschäftigungssicherungsvertrag notwendig ist, entstehen nicht massenweise neue Arbeitsplätze und deshalb bin ich sicher, dass mit den täglich 4 neuen Jobs weder Fraport noch Lufthansa gemeint ist, sondern dass es sich dabei um die Arbeitsplätze handelt, die kein Fluggast und kein Besucher je zu sehen bekommt. Und weil diese Jobs schon heute in vielen Bereichen die Mehrheit darstellen und bei einem Ausbau genau hier die neuen Arbeitsplätze entstehen werden, möchte ich hierzu einiges sagen:

Am Flughafen gibt es immer in vielen Bereichen mehrere Varianten von Arbeitsplätzen für die gleiche Aufgabe, nämlich solche zum Vorzeigen und die anderen. Z.B. gibt es neben dem Bundesgrenzschutz und der Polizei unzählige Mitarbeiter in Sicherheitsdiensten; einige davon sind bei den Fluggesellschaften selbst angestelt, z.B. bei Lufthansa Security und es gibt auch noch einige Kollegen, die zu FAG-Bedingungen arbeiten dürfen.

Die große Masse im Bewachungsdienst arbeitet allerdings zwischenzeitlich bei s. g. Drittanbietern, bei denen sich die Arbeitsbedingungen nach den Tarifbestimmungen für das Bewachungsgewerbe richten. Der Tariflohn bewegt sich seit 1.10.00 zwischen 10,21 und 17,71 brutto bei einer monatlichen Arbeitszeit von 264 Stunden an 7 Tagen in der Woche. Faktisch arbeiten die Koll. i.d.R. zwischen 300 und 400 Stunden im Monat, um überhaupt einigermaßen über die Runden zu kommen. Doch so miserabel der Tarifvertrag ist, er wird so gut wie nie eingehalten. Wer klagt bekommt beim Arbeitsgericht zwar Recht, den Job hat derjenige dann allerdings nicht mehr sehr lange!

Die Kollegen aus diesen Bewachungsdiensten stehen ziemlich am Ende der Hierarchie im Ansehen und das hat damit etwas zu tun, dass sie auch dafür eingesetzt werden, ihre Kollegen in den Frachtbereichen von Subunternehmern zu überwachen und zu bespitzeln.

Situation im Logistik-Bereich

Gegen diese Beschäftigten nämlich scheint man ein ganz besonderes Misstrauen zu heben. Sie werden erheblich häufiger kontrolliert als die Beschäftigten von Fraport oder Lufthansa. Möglicherweise geht man davon aus, dass Arbeitnehmer, die nicht viel mehr als einen Hungerlohn erhalten, sich eben nehmen, was sie brauchen, wenn man sie nicht ständig überwacht!

Der Stundenlohn eines Lagerarbeiters bei der Fraport-Tocher SVL richtet sich nach dem Tarifvertrag für das Speditionsgewerbe und beträgt seit 1.7.2000 zwischen 16,81 und 17,58. Und dass er überhaupt so hoch ist, ist nicht zuletzt dem historisch ersten Warnstreik am Flughafen im Frachtbereich durch die SVL-Beschäftigten im April 2000 zu verdanken.

Dieser Streik wurde nicht in erster Linie um Lohnerhöhung geführt, sondern hatte einen anderen Hintergrund:

seit Monaten kursierten Gerüchte, dass SVL den Lufthansa-Auftrag verloren hat. Bei SVL, wo es immerhin noch einen BR gibt und die ÖTV vertreten ist, teile die Geschäftsleitung mit, die Lufthansa habe den Auftrag ab 1.5. an D-Logistics vergeben, da diese Firma nicht tarifgebunden sei und deshalb billiger anbieten könne.

Sozialplanverhandlungen lehnt SVL mit der Begründung ab, die Beschäftigten könnten sich ja bei D-Logistic melden. Noch im April wussten die Kollegen nicht, wer ab 1. Mai ihr Arbeitgeber ist, und wer die Löhne zahlt, denn D-Logistics lehnte es logischerweise ab, die Leute von SVL zu beschäftigen.

Nur durch massiven Druck der KollegInnen und der ÖTV konnte verhindert werden, dass 380 Beschäftigte kostenlos in die Flughafenwüste geschickt werden!

Ein typisches Beispiel dafür, wie die Lufthansa als Auftraggeberin ihre Subunternehmer gegeneinander ausspielt, wie gleichzeitig versucht wird, sich aus den Bereichen zu verabschieden, in denen überhaupt noch ein Tarifvertrag gilt und wie die Unternehmen versuchen, ihr Personal auszutricksen und billig loszuwerden.

D-Logistics zahlte damals 12.50 brutto die Stunde, inzwischen immerhin schon 14,50 DM brutto.

Die Motivation der Beschäftigten ist entsprechend miserabel, die Arbeitsergebnisse so verheerend, dass die Lufthansa inzwischen massiv Druck macht. Und dieser Druck wird direkt nach unten durchgereicht, d. h. Abmahnungen und Kündigungen sind an der Tagesordnung.

Arbeitsbedingungen

Nun ist D-Logistics nicht etwa eine unrühmliche Ausnahme, sondern die Arbeitsbedingungen sind in nahezu allen Speditionsbetrieben am Flughafen nicht besser. Dienstpläne über30 Tage im Monat, an 7 Tagen in der Woche ohne einen einzigen freien Tag und das bei schwerster körperlicher Arbeit und fast immer ohne Pause sind keine Seltenheit. Und wer aufmuckt, der findet sich plötzlich in aberwitzigen Schichtzeiten wieder, vorwiegend in solchen, die eine Erreichbarkeit des Betriebs mit dem ÖPNV nicht möglich machen damit den Kollegen, die kein Auto haben, quasi die verhaltensbedingte Kündigung schon in den Dienstplan schreiben.

Fast nirgendwo gibt es vernünftige Pausenräume (wozu auch, wenn zum Pause machen sowieso keine zeit bleibt), Spinde sind nicht vorhanden, und wenn doch, dann sind sie regelmäßig völlig verdreckt oder aufgebrochen. In manchen Hallen – man fasst es nicht – gibt es keine Toiletten und erst recht keine Waschräume. Und wer mal muss, muss eben sehen, ob er irgendwo ein Klo findet in einer Nachbarhalle oder sonst wo, wobei die Eingänge für die Beschäftigten der Lufthansa den Kollegen aus den Frachtbetrieben verschlossen bleiben. Deren – ich nehme an vernünftigen – Sozialräume sollen vermutlich von den Arbeitnehmern 2. Klasse nicht verunreinigt werden.

Man sollte glauben, dass es im reichen Deutschland und erst recht an einem Vorzeigeflughafen einige Selbstverständlichkeiten gibt, über die man nicht mehr reden muss, nämlich dass es ausreichend Toiletten gibt, man sich wenigstens vor dem Essen einmal die Hände waschen kann, wenn man schwere körperliche und schmutzige Arbeit verrichtet und dass man sein Brot in einem Pausenraum essen kann.

Aber weit gefehlt! Der spontane Ausspruch eines Vertreters des Amtes für Arbeitsschutz sagt eigentlich alles: "Hier herrschen ja Zustände wie in der 3. Welt!" Doch dass das Amt für Arbeitsschutz überhaupt eingeschaltet wird, ist die Ausnahme. Betriebsräte berichten, dass sie massiv unter Druck gesetzt werden, wenn sie ankündigen, die Arbeitssicherheit einzuschalten und wo es keine Betriebsräte gibt, passiert schon gerade gar nichts mehr. Meist haben die Betriebsräte monatelang vergeblich versucht, den jeweiligen Arbeitgeber zu bewegen, die unzumutbaren Zustände zu beheben, bevor sie die Behörde einschalten. Tun sie es, werden sie als Nestbeschmutzer beschimpft, die Arbeitsplätze vernichten.

Das Amt für Arbeitsschutz, wenn es denn überhaupt mal zum Zuge kommt, macht Auflagen, doch die Arbeitgeber verweisen an die Lufthansa, der die Hallen gehören und die als Auftraggeberin für derartigen Luxus nicht zahlen – und so schließt sich der Kreis.

Gesundheitsschutz

Und wo schon der Mindeststandard an Sozialeinrichtungen fehlt, dort ist natürlich Gesundheitsschutz erst recht kein Thema.

Die Fraport-Töchter SVL und Tradeport betreiben so ganz nebenbei Arbeitnehmerüberlassung. Tradeport z.B. verleiht Arbeitnehmer an Fraport, und zwar für Tätigkeiten an der Rampe. Dieser Arbeitsplätze gelten als Horrojob! Die Leute müssen 8 Stunden in überwiegend gebückter Haltung Gepäckstücke über Kopf in Flugzeuge hieven und das unter totalem Stress und wahnsinnigem Zeitdruck. Wer dorthin abgeordnet werden soll, dem steht bereits bei der Androhung die Panik in den Augen, denn zu den miserablen Bedingungen werden die Leute auch noch behandelt wie der letzte Dreck.

Da hier eigentlich immer Arbeitsplätze frei sind, hängen auch überall Stellenanzeigen: gesucht werden körperlich fitte Männer bis max. Mitte 30, die nachweislich gesund sind. Doch wer trotz Gesundheitsnachweis nach ein bis zwei Wochen krank wird, fliegt sofort raus! Deshalb greift man mit Vorliebe auf Beschäftigte zurück, die noch keine 6 Monate beschäftigt sind.

Und dennoch gibt es Kollegen, die sich für diese Arbeit sogar freiwillige melden. Es sind diejenigen, die hoffen, von Fraport übernommen zu werden. Denn manchmal schafft es der eine oder andere, einen Arbeitsvertrag bei Fraport zu bekommen. Wer den Horror und die Demütigung an der Rampe aushält, hat manchmal eine Chance. Konkret heißt das, Fraport hält sich eine billige und willfährige Reservearmee, auf die sie von Zeit zu Zeit zurückgreift.

Immer schneller dreht sich die Spirale nach unten: Bei DHl Aviation spielt Gesundheitsschutz inzwischen ebenfalls keine besondere Rolle mehr. Dort sollte ein neues Förderband eingeführt werden, dem ein Arbeitsmediziner vom Flughafen, der nicht gerade als Hardliner gegenüber den Arbeitgebern bekannt ist, ein vernichtendes Urteil aus. Es sei mit schweren körperlichen Schäden zu rechnen, wenn an diesem Band täglich mehrere Stunden gearbeitet wird. Es wurde dennoch eingeführt.

Die AOK hat festgestellt, dass die Krankenquote der Beschäftigten in den Fracht- und Umschlagbereichen trotz extrem kurzer Beschäftigungszeiten erheblich über dem Durchschnitt liegt und ab 30 Jahren nochmals rasant ansteigt. Das heißt, die Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, sind jung und gesund, wenn sie den Job beginnen, aber bereits nach kurzer Zeit krank. Fallen sie häufiger aus, verlieren sie nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern sie stürzen in der Regel ins Bodenlose. Denn sie sind immer noch jung, haben nichts und sind auf Grund ihrer körperlichen Schäden kaum noch vermittelbar. Diesen Menschen verlieren ihre Existenz, bevor sie überhaupt eine Chance hatten, sich eine solche aufzubauen.

Jobmaschine Flughafen – um welchen Preis?

Die Beispiele ließen sich fortsetzen, aber ich will es bei denen belassen. Wichtig ist allerdings noch, dass all diese charmanten Firmen, egal wie sie heißen und egal, wer daran beteiligt ist, keine Terrormaßnahme gegen Beschäftigte auslassen, die versuchen, Betriebsräte zu wählen oder die Gewerkschaft ins Haus holen. Es gelingt nur in Ausnahmefällen und mit allen Tricks und subversiven Methoden, den Kollegen zu einer gesetzlichen Interessenvertretung zu verhelfen. Und selbst wenn der BR gewählt ist, heißt das noch lange nichts. Was sich Arbeitgeber einfallen lassen, Betriebsräte zu zerschlagen, wäre ein anderes abendfüllendes Thema (Aktuelles Beispiel: Buck Cargo Service)

Lassen Sie mich zum Schluss deshalb fragen: Kann eine Gesellschaft wirklich Arbeit um jeden Preis wollen?

Ich bin Gewerkschaftssekretärin. Meine Aufgabe ist es, für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen einzutreten!

Leben und Arbeiten sind kein Gegensatz, sondern bedingen einander. Wachstum muss deshalb dort seine Grenzen haben, wo menschliche Lebens- und Arbeitsbedingungen aus Profitinteressen zerstört werden!

 

Monika Hettwer

7.3.01

 


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