Übertriebene Forderungen
Von: @Prof. Dr. Friedrich Thießen <2017-11-02>
Lobbyverbände legen dubiose Informationen zur Luftverkehrsteuer vor

Am 23. Oktober 2017 hat der deutsche Luftverkehrsverband BDL zusammen mit dem europäischen Lobbyverband Airlines for Europe (A4E) eine Pressemitteilung zur Abschaffung der Luftverkehrsteuer herausgegeben. Darin werden erhebliche Arbeitsplatzgewinne und Steigerungen des Bruttoinlandsproduktes behauptet, wenn in Europa die Luftverkehrsteuern abgeschafft würden.

Das Rhein-Main-Institut stellt fest, dass die von BDL und A4E behaupteten Wirkungen auf einem Gutachten beruhen, das der Lobbyverband Airlines for Europe bei der Beratungsgesellschaft pwc in Auftrag gegeben hat. In dem vorliegenden Gutachten von pwc wird die verwendete Methodik nicht nachprüfbar erläutert. Stattdessen wird auf ein anderes Gutachten von pwc von 2013 verwiesen, in welchem die Methode dargestellt worden sei. Verfügbar ist aber nur eine Version, die von den Erstellern „abridged version“ genannt wird und die verwendete Methodik ebenfalls nicht nachvollziehbar darstellt.

Während die Pressemitteilung von BDL und A4E davon spricht, dass der Gutachter pwc eine „unabhängige“ Bewertung des Sachverhaltes vorgenommen habe, schreibt pwc selbst, dass seine Studie auf den nicht veröffentlichten Anweisungen beruhe, die pwc vom Lobbyverband bekommen habe, dass die Studie „exklusiv“ für die Bedarfe und Zwecke des Klienten geschrieben worden sei und dass kein sonstiger Leser erwarten könne, darin Informationen zu finden, die er für seine Zwecke braucht.

Was die Methodik anbetrifft, wurde davon so wenig offengelegt, dass eine Beurteilung der Ergebnisse in keinem Fall möglich ist. Bisher haben die Veröffentlichungen der Luftfahrtindustrie regelmäßig systematische Lücken gehabt und gaben kein objektives Bild. Einseitig wurden nur ganz bestimmte Arbeitsmarkt- und Wachstumswirkungen dargestellt, während konträre Effekte weggelassen wurden. Die Arbeitsmarkt- und Wachstumswirkungen der Branche werden üblicherweise übertrieben dargestellt. Blickt man in die Literatur, dann gelten nach wie vor die Analysen von OECD, EU und Weltbank. Demzufolge verläuft die Kausalität zwischen Wirtschaftswachstum und Luftverkehr eher vom allgemeinen Wachstum zum Luftverkehr als umgekehrt. Es wurden keine signifikanten Wirkungen auf den „output“ (BIP) und keine robusten Wachstumseffekte gefunden. Konnektivität, d.h. noch mehr Flüge und noch mehr Ziele, ist bzw. sind nicht mit Wirtschaftswachstum korreliert.


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